8. Februar 2017
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Liebe ZebrA-Fans, haben Sie in den letzten Monaten auch schon einmal (oder gar mehrmals) folgende Situation erlebt? Es ist Freitagnachmittag, der Unterricht ist beendet und alle Schüler sind auf dem Heimweg, Sie sind schon im Aufbruch, packen gerade noch Ihre Tasche und… erhalten quasi „zwischen Tür und Angel“ folgende eben erst eingetroffene Nachricht: Nächste Woche kommt ein syrisches Flüchtlingskind in Ihre Klasse!
Gerade einmal Geschlecht und Alter des zu erwartenden Neuankömmlings sind bekannt. Hat er oder sie schon einmal eine Schule besucht? In der Muttersprache oder gar einer weiteren Sprache gelesen und geschrieben? Überhaupt je einen Stift in der Hand gehabt? Ist er oder sie ein offenes, kommunikationsfreudiges Kind, das sich vielleicht rudimentär auf Deutsch oder zumindest auf Englisch verständigen kann? Hat der oder die Kleine bereits ersten Deutschunterricht erfahren und Lese- oder Schreibfertigkeiten erworben? Oder kommt nun ein überforderter kleiner Mensch ohne jede Kommunikationsmöglichkeiten außerhalb der Verständigung „mit Händen und Füßen“ in Ihre Klasse, der sozusagen bei Null anfängt?

Daz - Mein Willkommensheft

Sei uns willkommen!

Nicht nur wartet ein neues Kind darauf, seinen Platz in Ihrer Gemeinschaft zu finden – es bedarf auch im Besonderen Ihrer individuellen Wahrnehmung seiner Bedürfnisse und Fertigkeiten, muss „als ganzer Mensch“ dort abgeholt werden, wo es gerade steht, und schnell über sich hinauswachsen angesichts all der neuen Lern- und Entwicklungsaufgaben. Und daneben, dabei, gleichzeitig läuft Ihr normaler Unterricht mit den berechtigten Ansprüchen aller anderen SchülerInnen, Eltern und KollegInnen weiter…

Gut, wenn Sie in den für alle Seiten aufregenden ersten Tagen ein kleines, hilfreiches Material zur Verfügung haben, das Sie Ihrem neuen Schützling in die Hand geben können – zur gemeinsamen, aber auch zur selbstständigen Bearbeitung!

So war jedenfalls meine Denke, als ich unser kleines Mein Willkommensheft konzipiert und gemeinsam mit der erfahrenen DaZ-Lehrerin Sabine Wanitschka entworfen habe – und natürlich zusammen mit Franz…


Mein Willkommensheft – lebensnah und schnell einsetzbar

 

Überschaubar sollte unser Willkommensheft sein, freundlich, motivierend und vor allem: von unmittelbar praktischem Nutzen.
Denn niemand von Ihnen startet mit einem neu angekommenen Flüchtlingskind in der Klasse an Tag 1 mit einem straffen Sprachunterricht. Stattdessen bereiten Sie Ihrem Neuzugang einen möglichst herzlichen Empfang als Grundlage einer stabilen und stabilisierenden Lehr- und Erziehungsbeziehung. Sie tasten sich vorsichtig an das Kind und seine Voraussetzungen heran. Und Sie wünschen sich, dass es schnell über seine dringendsten Bedürfnisse mit Ihnen und den anderen Kindern in der Klasse kommunizieren kann. Sind unsere folgenden Überlegungen in dieser Situation für Sie hilfreich?


Was ein Selbstportrait alles erzählt

Im Mittelpunkt steht das Kind. Es soll (s)einen Platz finden, etwas über sich vermitteln können und dürfen. Deshalb steigen wir im Willkommensheft mit einem Selbstportrait in die Kommunikation ein.

  • Ist hier schon ein erstes kleines Gespräch möglich, zum Beispiel über die gemalten persönlichen Merkmale wie Augenfarbe, Haarfarbe, Kleidung, Geschlecht?
  • Wie hält das Kind bei seiner Arbeit den Stift?
  • Malt es selbstständig und versunken oder ist bereits diese Aufgabe eine Überforderung in Sachen Konzentration?
  • Versteht es gar überhaupt nicht, was es machen soll?
  • Kann das Kind – mit welchen Schriftzeichen auch immer – seinen Namen schreiben und freut es sich, ihn in lateinischen Buchstaben von Ihnen geschrieben zu sehen?
Rahmen für ein Selbstportrait

Organisation ist alles!

Die ersten gemeinsamen Unterrichtsstunden stehen auch im Zeichen der Organisation. Wenn nicht schon geschehen, ist es für die Kinder hilfreich, noch einmal wichtige Adressen zu bündeln, auf die festgelegte Uhrzeit des Unterrichtsbeginns hinzuweisen (oftmals ein Problem, wie mir viele Lehrerinnen berichteten!), einen Stundenplan mit einfachen Symbolen anzulegen, der auch eventuell wechselnde Räume berücksichtigt (viele Kinder wechseln schließlich täglich von Arbeitsphasen in der Sprachlernklasse oder mit einer Sprachförderkraft in den Regelunterricht ihrer Zielklasse und umgekehrt).

Wichtige Adressen und Telefonnummern
Stundenplan

Die Vorstellung, in einer fremden Umgebung nicht einmal die einfachsten Grundbedürfnisse äußern zu können, ist sicher für jeden von uns unangenehm. Noch vor einem differenzierten Sprachunterricht kann deshalb das Einüben einfacher Sätze als „Redemittel“ helfen, gut für sich selbst zu sorgen und gleichzeitig ersten Anteil an den Aktivitäten der Gemeinschaft zu nehmen. Vielleicht lassen Sie die Kinder Ihrer Klasse die Sätze im Rollenspiel mit dem Neuankömmling üben? Oder ein bereits integriertes DaZ – Kind Ihrer Klasse erklärt dem neu hinzugekommenen die Sätze und Situationen?


Sich schnell in die Gemeinschaft einzufinden, bedeutet auch, ihre Regeln zu kennen und zu akzeptieren. In Partnerarbeit mit einem deutschsprachigen Kind können die einfachen Grundregeln des Zusammenlebens und -lernens besprochen werden. Welche gemeinsam vereinbarte Regel ist noch wichtig? Sie kann eingezeichnet und beschriftet werden.


Zeig darauf! – Bildwortschatzseiten im Willkommensheft – für alle verständlich

Was hilft mir das schönste (Grundschul-)Wörterbuch, wenn ich die deutsche Sprache/Schrift noch nicht lesen kann? Leider letztlich gar nichts… Deshalb haben Frau Wanitschka und ich uns für unser Willkommensheft an den modernen Typen von Reise-Bildwörterbüchern orientiert. Auf acht Seiten finden Ihre DaZ – Kinder jeweils den Wortschatz eines bestimmten Themenfeldes bildlich dargestellt – und können bei Bedarf einfach darauf zeigen, wenn ihnen das deutsche Wort noch unbekannt ist.
Wer einen Klebestift braucht, zeigt ihn auf Seite 8 – und erhält zum Beispiel die Antwort:
„Du brauchst einen Klebestift. Ich gebe dir gerne einen.“

Die Aufforderung, sich für die Hofpause anzuziehen, lässt sich leichter kommunizieren, wenn Sie als Lehrerin einfach auf alles zeigen können, was angezogen werden soll (siehe Seite 10) – der Bildwortschatz ist also keine „Einbahnstraße“!

Über persönliche Vorlieben kommt man leichter „ins Gespräch“ – hier hilft Seite 13 mit Abbildungen von Spielsachen und Freizeitbeschäftigungen. Und wer krank ist oder Schmerzen hat, nutzt die Seiten 14 und 15 im Willkommensheft, um seine Befindlichkeit zu kommunizieren. Oder er oder sie „erzählt“ bildlich von seinem Tagesablauf (S. 16).

Sukzessive können Sie als Lehrerin oder Lehrer die Bildwortschatzseiten dann für eine gezielte Wortschatzarbeit des Deutschen einsetzen. Artikelpunkte ( = der, = die, = das) helfen, das für den Satzbau so wichtige Wortgeschlecht gleich mitzulernen


Das bin ich!

So gerüstet, können die Kinder auch selbstständig, in einer Kleingruppe oder mit einer Lernpartnerin die Seiten 17 bis 24 bearbeiten:

Meine Schulsachen
Das mache ich gerne

Auch hier darf Ihr kleiner Neuzugang etwas über sich und seine Vorlieben berichten –
und arbeitet sicher eine ganze Weile konzentriert und mit „Materialeinsatz“ (Schere, Klebstoff, Buntstifte) an den Seiten.
Wer gehört zu meiner Familie, was esse und trinke ich gerne, was spiele ich gerne und womit? All diese persönlich bedeutsamen Kontexte lassen sich so auf niedrigstem Anforderungsniveau erschließen und geben zugleich dem Kind das Gefühl, als Mensch „gesehen“ zu werden.

Und schon ist die erste gemeinsame Zeit vergangen: Ein erstes Heftchen wurde (zusammen, auch im Austausch mit anderen Kindern der Klasse) erarbeitet – vielleicht das erste „eigene“ Schulmaterial, das das Kind je bearbeitet hat?

Eine kleine Kostprobe aus unserem Willkommensheft stellen wir Ihnen am Ende des Artikels zum kostenlosen Download zur Verfügung.


Wie geht es weiter?

Während Ihre neue Schülerin oder Ihr neuer Schüler diese ersten Aufgaben bewältigt hat, hatten Sie nun schon ein paar Tage Zeit, sie oder ihn zu beobachten. Die motorischen Fähigkeiten einzuschätzen, das Sozial- und Kontaktverhalten zu erfassen und natürlich nicht zuletzt einen ersten Überblick über die vorhandenen Deutschkenntnisse des Kindes zu gewinnen.

Nun kann die differenzierte Arbeit an der gemeinsamen (Schrift-)Sprache Deutsch beginnen! Wie Sie hier einen abgesicherten Einstieg schaffen und welche ZebrA-Materialien Sie welchem Kind zuordnen können, zeige ich Ihnen gerne in meinem nächsten Blog-Artikel unserer kleinen DaZ-Reihe.
Darin wird es um einen einfachen, unkompliziert durchführbaren Test gehen, mit dessen Hilfe Sie entscheiden können, ob Ihr Schützling mit Hilfe des ZebrA-DaZ-Heftes A oder B weiterarbeiten soll.

Hier finden Sie alle bereits erschienenen Artikel unserer DaZ-Serie:
DaZ in der Grundschule – auch bei Ihnen ein Thema?
Der DaZ-Einstufungstest
Das neue Zebra DaZ-Arbeitsheft A – schaun Sie mal rein!
Wortschatz üben mit dem Zebra DaZ-Arbeitsheft B

Bis dahin herzliche Grüße aus der DaZ-Redaktion
Heike Günther

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