19. August 2022
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Schwierige Zeiten sind eigentlich immer – und Hilfe in schwierigen Zeiten gibt es zum Glück auch. Ich finde es wichtig, dass unsere Kinder gut auf ein Leben in unserer Gesellschaft vorbereitet werden, indem sie Kompetenz und ihren sozialen und personalen Verhalten erlernen.

Soziale Kompetenz ist das Ergebnis eines erfolgreichen Lernprozesses, der unsere Kinder auf ein gelingendes Leben vorbereitet. Dazu müssen zunächst ihre Grundbedürfnisse nach Sicherheit (Regeln), persönlicher Identität und Zugehörigkeit erfüllt werden. Diese Aufgabe sollte sich jede Schule vornehmen.

Soziales Lernen passiert bei unseren Kindern von Anfang an: in der Familie mit all ihren besonderen, einmaligen, individuellen Gegebenheiten in die sie hineingeboren werden, etwas später in der Kita und Kindergarten mit anderen, fremden, neuen Gegebenheiten, und schließlich in der Schule, die nochmals andere spezifische und soziale Lernaufgaben für die Kinder bereithält und vermittelt.

Eine dieser Aufgaben möchte ich heute in den Mittelpunkt stellen: Warum Regeln so wichtig sind.


Soziales Lernen – Achtsamkeit als wichtiger Baustein

Das Thema Achtsamkeit bekommt seit einiger Zeit viel Aufmerksamkeit in unserem Schulleben. Es gehört in die Reihe der A-Wörter, die uns in der gemeinsamen Bemühung um eine gute Entwicklung unserer Schülerinnen und Schüler wichtig sind:

  • Anregung – die sollten vor allem die Eltern geben, aber auch die Schule
  • Anleitung – das richtige Arbeiten sollten wir Lehrerinnen und Lehrer vermitteln
  • Anstrengungsbereitschaft – sollten die Schülerinnen und Schüler beisteuern
  • Anerkennung – sollten wir immer wieder mitteilen, und jetzt eben
  • Achtsamkeit – die uns alle angeht!

Achtsamkeit hat mit beachten und wahrnehmen zu tun – dies beschreibt ausführlicher Vanessa Thiel in ihrem Artikel „Emotionen im Schulalltag aufmerksam reflektieren“.
Achtsam sein erinnert uns an

  • anhalten
  • langsam werden um sich
  • unserer Umgebung und den Menschen darin bewusst zu werden
  • bewusst werden unseres eigenen Befindens, unserer Gefühle und der Gefühle anderer
  • wahrnehmen und reflektieren

Achtsamkeit und Regeln lernen die Kinder von Anfang an

Familie, Kindergarten und dann vor allem Schule sind die wichtigsten Lernorte für Regeln. Regeln brauchen wir um der Freiheit des Einzelnen Grenzen zu setzen, damit wir sicher und geordnet in einer Gemeinschaft leben können.

Ich muss als Radfahrer am Zebrastreifen anhalten, damit ich den Passanten am Zebrastreifen nicht verletze. Der Fußgänger genießt dann die Sicherheit, die ihm die Regel gibt, dass er unbeschädigt über den Zebrastreifen gehen kann. Voraussetzung ist natürlich das Einhalten der Regeln durch alle Beteiligten.

Individuelle Regeln, die nur ich mir erteile, kann ich natürlich jederzeit wieder brechen, denn damit schade ich keinem anderen:

  • Ferdinand: Ich putze mir die Zähne 4 x am Tag, das ist notwendig!
  • Janina: Ich wasche mein Gesicht abends nie, nur morgens!
  • Ali: Ich stehe sonntags nie vor 9 Uhr auf!
  • Klara: Ich räume meinen Schulranzen 1 x in der Woche auf, mehr geht nicht!

Soziales Lernen im Lebensraum Schule

Schule ist – zumindest halbtags, oft auch ganztags – der Lebensraum unserer Kinder. Sie ist der Lernort für Basisfähigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen, Erkenntnisse in Technik, Natur und Kultur, sowie Soziale Kompetenz. Die Grundschule ist auch Sammelbecken für Kinder aus den verschiedensten Lebensräumen bezüglich ihres sozialen und internationalen Hintergrunds. Keine Biographie, keine Vorerfahrung gleicht der anderen. So begeben wir uns täglich in einen Spagat, unserem multikulturellen, gemischten „Publikum“ Wissen und Fertigkeiten zu vermitteln und jeden möglichst da abzuholen, wo er sich befindet. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Womit wir allen Kindern gerecht werden können, trotz und mit ihrer Unterschiedlichkeit, ist die Erschaffung eines Klimas, eines Lernortes, in dem jeder einzelne sich frei, bewusst und verantwortlich entwickeln, sich aber auch sicher, in der Gruppe eingebunden und respektiert fühlen kann. Wenn es uns gelingt, ein achtsames, wertschätzendes Lernumfeld zu gestalten, führen wir die Kinder nicht nur zu größerem persönlichen Wachstum, auch Wissen und Kenntnisse stellen sich fast von alleine ein. Dabei spielen auch Regeln eine große Rolle.

Heute, nahe beim Beginn des neuen Schuljahres, möchte ich mich besonders auf das Thema „Regeln“ beziehen, bei denen die Achtsamkeit, bzw. Beachtung eine wichtige Rolle spielt.

Welche Bedeutung haben Regeln im Klassenzimmer? Zunächst einmal begünstigen sie ein Gefühl der Sicherheit,

  • wenn sie genau festgelegt und beibehalten werden,
  • wenn Schüler wissen, wie sie sich Gehör verschaffen und Veränderungen bewirken können,
  • wenn Regeln in einer Weise durchgesetzt werden, die Selbstachtung und Verantwortungsgefühl stärken,
  • wenn Schülerinnen und Schüler fühlen, dass sie Erwachsenen vertrauen können,
  • wenn sie spüren, dass sie beschützt werden und vor persönlichem Schaden sicher sind.

Die Aufgabe von uns Lehrkräften ist es, klare Regeln aufzustellen und dem Arbeiten innerhalb der Klasse damit eine Struktur zu geben. Natürlich sollten wir die Regeln konsequent und gerecht anwenden, dabei die Selbstachtung der Kinder wahren – also sie z.B. nicht bloßstellen. Mit dem konsequenten Verhalten stärken wir das Verantwortungsbewusstsein der Kinder, können eine vertrauensvolle, verlässliche Atmosphäre schaffen und ihnen einen wichtigen Baustein im sozialen Lernen vermitteln.


Soziales Lernen – Regeln geben Sicherheit

Robert W. Reasoner* hat Kinder untersucht, die mit verlässlichen Regeln in der Schule arbeiteten und die sich sicher fühlen konnten. Sie unterschieden sich oft deutlich von der Kontrollgruppe, in der Regeln nur wenig Beachtung erhielten:

Kinder, die sich sicher fühlen:

  • halten sich für verantwortlich
  • zeigen Respekt
  • vertrauen anderen
  • sind verlässlich
  • haben weniger Angst
  • trauen sich mehr zu
*Quelle: Robert W. Reasoner „Parenting with Purpose – Five Keys to Raising Children with Values and Vision“ , Personhood Press 2007

unsichere Kinder:

  • sind oft nervös
  • testen Grenzen aus
  • haben weniger Motivation
  • sind oft ängstlich oder misstrauisch
  • trauen sich wenig zu

Ich möchte hier nun keinesfalls Regeln vorgeben, denn diese solltet ihr unbedingt mit euren Kindern in der Klasse selbst erarbeiten. Es wirkt sich positiv auf die Durchsetzung und Erhaltung von Regeln aus, wenn sie miteinander verabredet wurden und wie ein Vertrag gesehen werden können, zu dem beide Seiten sich verpflichtet fühlen, Lehrerinnen und Lehrer und Kinder!


Klassenregeln auch für Lehrerinnen und Lehrer?

In den meisten Klassenzimmern werden Regeln nur  für die Kinder aufgestellt. Könnte es nicht ein interessantes Projekt sein, wenn die Kinder auch einmal Regeln für ihre Lehrerinnen und Lehrer aufstellen würden – natürlich auch hier im gegenseitigen Aushandeln und Verständnis…?

Soziales Lernen - Regeln - Regeln auch für Klassenlehrerinnen?
  • Unsere Lehrerin/unser Lehrer sollte gerecht sein
  • Unsere Lehrerin/unser Lehrer sollte sich erst Zeit für unsere Sorgen nehmen, bevor das Lernen beginnt
  • Unsere Lehrerin/unser Lehrer sollte jedem die Zeit zum Lernen geben, die er braucht
  • Unsere Lehrerin/unser Lehrer sollte (fast) immer gute Laune haben
  • Unsere Lehrerin/unser Lehrer …

Soziales Lernen und Reflektieren

Soziales Lernen unserer Kinder – wir begleiten es in der Schule durch stetige wechselseitige Kommunikation. Darin spielt die Reflexion eine wichtige Rolle. Ob im Unterrichtsgespräch oder beim Bearbeiten von Arbeitsbögen, die Reflexion der Kinder über ihr Tun und Handeln darf nicht vergessen werden.

Diese Fragen können die Reflexion anregen:

  • Wie hat dir die Aufgabe gefallen?
  • Hast du noch eine andere Idee zu der Aufgabe gefunden?
  • Was fällt dir noch zu diesem Thema ein?
  • Welches Gefühl hast du bei der Aufgabe gehabt?
  • Hat dir etwas gefehlt bei der Aufgabe?

Probiert es doch mal aus mit eurer Klasse, Spaß ist bei den Kindern und sicher auch bei euch ist garantiert! Und es gibt bestimmt eine Menge Diskussions- und Gesprächsstoff!

Zu meinem Artikel möchte ich euch noch ein paar Arbeitsblätter für die Klasse vorschlagen – auch damit viel Spaß!

Bettina Rinderle


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