2. Juni 2023
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Ein Gedicht auswendig zu lernen hat zu meiner Schulzeit nicht zu meinen Lieblingssaufgaben gehört. Eintöniges Auswendiglernen und schließlich große Aufregung beim Aufsagen vor der gesamten Klasse.
Dass es aber auch Spaß machen kann und man dabei so richtig kreativ werden kann, weiß ich erst, seitdem ich Gedichte mit meinen eigenen Klassen auswendig lerne. Inspirationen dafür fand ich vor allem im #Instalehrerzimmer.


Was lag also näher, dringend zebrataugliche Materialien und Ideen zu erstellen.

Im Folgenden stelle ich euch vor, wie meine Schülerinnen und Schülern Schritt für Schritt Gedichte üben und lernen und schließlich auf verschiedene Weisen nach Kriterien vortragen.

Das Auswendiglernen lässt sich dabei übrigens auch auf (Volks-)Lieder übertragen oder Psalmen und Gebete im Religionsunterricht.

Zuerst einmal stellt sich die Frage nach dem Sinn des Auswendiglernens: Warum lerne ich Gedichte überhaupt auswendig?

Ein paar wenige Gründe dafür sind:
Gedichte sind einzigartig. Jedes hat seinen eigenen Rhythmus. Gedichte machen den wunderbaren Klang der Sprache sichtbar. Der eigene Wortschatz wird erweitert, teils um alte Wörter, die im heutigen Sprachgebrauch kaum noch vorkommen.
Gedichte haben die Kraft, Emotionen auszulösen, ähnlich wie Musik und Gesang. Außerdem wird unsere Konzentration und Merkfähigkeit beim Auswendiglernen geschult.

Gedichte lernen wir vor allem durch Vorsprechen, Nachsprechen und miteinander sprechen – und das immer wieder.


Wichtige Sprachen: Unsere Stimme und unsere Körpersprache

Bevor wir Gedichte auswendig lernen, spielen wir erst ein bisschen mit unserer Stimme und der eigenen Körperhaltung.

Wie kann ich meine Stimme verändern?
Ich kann laut schreien, ich kann aber auch flüstern. Ich kann hoch sprechen oder auch tief. Ich kann meine Stimme verstellen. Ich kann monoton reden oder übertrieben betont. Ich kann Emotionen zeigen mit einer traurigen, fröhlichen oder wütenden Stimme.

Was macht die eigene Körperhaltung bei einem Vortrag aus?
Aufrechte Haltung oder gesenkter Kopf, sitzend oder stehend – unsere Stimme passt sich automatisch der Haltung an.
Welche Haltung finden eure Schülerinnen und Schüler für einen Vortrag passend?

Zebra spricht

Meine Erfahrung ist, dass je jünger die Schülerinnen und Schüler sind, sie unbedarfter ihre Stimmlagen,-melodien und Körperhaltungen ausprobieren. Bei älteren Klassen spreche ich gerne monoton, traurig, übertrieben betont, … vor und die Klasse errät meine Intention, bevor sie sich selbst vor ein Publikum wagen.

Je witziger die Texte dazu sind, umso mehr macht es allen Spaß.
In unserer Gedichtesammlung findet ihr vier Quatschgedichte, bei denen es gleich viel leichter fällt, mit der eigenen Stimme und Körpersprache zu experimentieren.

Eure Klassen werden es bemerken: Wichtiger als jeder Inhalt sind Stimme und Körpersprache.


Ein Gedicht auswählen

Für eure Gedichtauswahl könnt ihr die neue Zebra Gedichtesammlung Klasse 1 bis 4 nutzen. Neben den Quatschgedichten gibt es eine kleine, aber feine Auswahl an Gedichten zum Frühling, Herbst und Winter und auch zur Nacht.

Ebenso findet ihr in allen Zebra-Lesebüchern ausgewählte alte und neue Gedichte.

Eine tolle Auswahl an empfehlenswerten Gedichten ist außerdem im Buch „Gedichte für die Grundschule“ (Ernst Klett Verlag, 2011) vorhanden.

Gedichtesammlung Zebra

Ein Gedicht üben

Je abwechslungsreicher ihr euch mit einem Gedicht beschäftigt, umso mehr Spaß macht es auch, dieses auswendigzulernen. Das kann auf ganz verschiedene kreative Art und Weise geschehen.
Zuerst schaue ich mit meiner Klasse den Film „Ein Gedicht auswendig lernen“ an. Wir wiederholen mithilfe der Vorlage „Ein Gedicht auswendig lernen“ (siehe Anhang) die einzelnen Schritte und fragen forschend: Gibt es nur diesen einzigen Weg, ein Gedicht auswendig zu lernen?
Gemeinsam sammeln wir Ideen, wie man ein Gedicht auswendig lernen kann.
Je mehr Sinne ich beim Lernen nutze, umso besser können sich alle Lerninhalte in meinem Gehirn verankern:
Manche Menschen bewegen sich gerne durch den Raum oder die Natur, wenn sie etwas auswendig lernen. Andere schreiben das Gedicht mehrmals auf, markieren sich die Reimwörter und prägen sich diese als Ankerwörter gut ein.

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Film „Ein Gedicht auswendig lernen“

Einige Tipps findet ihr gesammelt auf der Arbeitsblattvorlage „So kann ich ein Gedicht üben“. Diese können eure Schülerinnen und Schüler mit ihren eigenen Ideen erweitern.

Ich stelle alle Gedichte auch immer als Audioversion auf dem Klassenpadlet zur Verfügung. Vor allem für meine DaZ-Schüler und
-Schülerinnen und diejenigen mit Lese-Recht-Schreibschwäche ist dies eine gute Hilfestellung. Aber auch alle anderen Kinder hören sich das Gedicht gerne daheim an und nutzen es beispielsweise als Lesetandem.

Jedes Kind übt nun mehrmals täglich sein ausgewähltes Gedicht. Dabei wählt es möglichst selbstständig mithilfe der Arbeitsblattvorlage aus, mit welcher Lerntechnik das Auswendiglernen am besten klappt.

Hilfreich kann auch das gemeinsame Aufsagen im Morgenkreis sein: Erst spricht die Lehrkraft das Gedicht vor, dann wird nachgesprochen, später schließlich gemeinsam gesprochen. So erfährt die Klasse, wie ein Gedicht ansprechend aufgesagt und vorgetragen wird.


Die Kriterien eines Gedichtvortrags

Schließlich besprechen wir gemeinsam die Kriterien des abschließenden Gedichtvortrags. Meist kennt die Klasse bereits Kriterien für einen Vortrag. Gemeinsam sammeln wir die Kriterien an der Tafel.

Dann zeige ich den Schülerinnen und Schülern die Zebra-Tafelkarten (siehe Anhang). Gemeinsam ordnen wir ihre Ideen den Kriterien zu und ergänzen diese gegebenenfalls. Dabei klären wir gemeinsam, was die Kriterien für den Gedichtvortrag bedeuten.

Die folgenden Kriterien für einen Gedichtvortrag habe ich über die Jahre hinweg als entscheidend befunden:

  • Ich schaue meine Zuhörer und Zuhörerinnen an.
  • Ich nenne Titel und Autor oder Autorin des Gedichts.
  • Ich spreche deutlich.
  • Ich achte auf mein Sprechtempo.
  • Ich betone sinnvoll und mache Pausen.
  • Ich trage das Gedicht genau vor.

Alle Kriterien findet ihr mit kurzen Tipps als Zebra-Vorlage am Ende dieses Artikels.

Ein Gedicht vortragen

Ein Gedicht vortragen

Bevor meine Klasse ihre auswendig gelernten Gedichte schließlich vorträgt, muss der einzelne Schüler und die einzelne Schülerin wissen, wie er/sie sich beim Vortrag am wohlsten fühlt.
Das kann sich auch mit dem Alter ändern und ist von der Tagesform und vielen anderen oft nicht einsehbaren Faktoren abhängig. Entscheidende Fragen sind beispielsweise:

  • Kenne ich das Publikum?
  • Mag ich das Publikum und fühle ich mich vor ihm wohl?
  • Was benötige ich, damit ich den Vortrag gut meistern kann?

Das ist absolut individuell und kann ganz unterschiedlich aussehen:

  • Manche Kinder benötigen ein Fidget-Toy oder einen Anti-Stressball in der Hand.
  • Andere scheuen großes Publikum, brauchen zwei Freundinnen als mentale Unterstützung und wollen nur der Lehrkraft das Gedicht aufsagen.
  • Eine Schülerin nimmt das Gedicht im Nebenraum als Audio auf.
  • Ein Junge möchte das Gedicht sitzend vom Platz aufsagen, ein anderer steht stolz vor der ganzen Klasse.

Und manche Kinder brauchen einfach mehr Zeit als andere. So ist das ja bei allem im Leben. Gebt euren Schülerinnen und Schülern doch die Chance, das Gedicht dann aufzusagen, wenn sie sich ganz sicher dabei fühlen. Das kann bei manchen Kindern nach drei Tagen sein, bei anderen nach einer Woche.

Lernt ihr mit euren Klassen Gedichte auswendig? Wie geht ihr dabei vor?

Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten. Vielleicht hat dieser Artikel ja Lust geweckt, bei den nächsten Gedichten mal anders vorzugehen als bisher.

Viel Spaß dabei wünscht

Sonja


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