5. August 2022
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Achtsamkeit – das neue Modewort

Während der letzten Jahre verbreitete sich das Thema Achtsamkeit nicht nur im privaten Bereich, etwa durch trendige Seminare, Workshops oder der Literatur, sondern auch zunehmend im Bildungsbereich. Eine Entwicklung, die zu begrüßen ist! Den achtsamen Lehrerinnen und Lehrern unter euch ist die Bedeutung des Wortes höchstwahrscheinlich bekannt! Achtsamkeit (engl. Mindfulness) bedeutet innezuhalten und im Augenblick präsent zu sein.

Das heißt, dass wir das Geschehen, sowohl um uns herum als auch in uns, aufmerksam beobachten und es weder bewerten noch beurteilen. Wir nehmen es einfach wahr und an. Das gilt ganz besonders auch für unsere Gefühle! Dieser Blogbeitrag möchte für die Persönlichkeitsentwicklung/das Soziale Lernen in Verbindung mit Achtsamkeit sensibilisieren und eine Unterrichtsidee vorstellen.


Gefühle und Emotionen kennen und wahrnehmen

Keine neue Unterrichtseinheit, jedoch oftmals unterschätzt ist das Thema „Unsere Gefühle“, welches im Sachunterricht beheimatet ist. Dazu gehört natürlich das Kennenlernen unserer verschiedenen Emotionen, aber auch zu lernen, wie sich diese anfühlen und in sich nachzuspüren. Fröhlichkeit, Traurigkeit, Wut, Enttäuschung und all die anderen kleinen Gefühlsmonster, die uns begleiten, wollen gehört werden! Das verstehen selbst viele Erwachsene nicht und haben gelernt ihre Gefühle zu unterdrücken, sie wegzuschließen und einfach nicht zu spüren. Manchmal ist das auch eine vorteilhafte Strategie, denn nicht immer können wir unseren Gefühlen freien Lauf lassen. Wir lernen als Kinder, dass das nicht überall passend ist. Aber Probleme, Sorgen, Ängste, die die verschiedenen Emotionen hervorrufen, können sich nicht lösen oder abgebaut werden, wenn wir die jeweiligen Gefühle schlichtweg nicht zulassen. Das Resultat ist, dass wir seelisch ein ordentliches Päckchen auf Dauer mit uns herumtragen, welches uns belastet. Insbesondere tun sich heute mit dem Spüren unserer Gefühle noch Männer schwer, weil frühere Generationen die kleinen Jungs mit Sätzen prägten, wie „Indianer kennen keinen Schmerz! Jungs heulen nicht! Reiß dich zusammen! Mach eine Faust in der Tasche!“ u.v.m.

Viele dieser Menschen sitzen heute in einer Therapie und arbeiten alte Kränkungen auf, da neue Erfahrungen die alten Monster triggern, die noch immer in einem schlummern.

Für unsere seelische Gesundheit ist das Kennen und Annehmen unserer Gefühle jedoch maßgeblich. Daher ist es wichtig schon im Kindergarten und in der Grundschule dem Thema „Gefühle“ einen großen Stellenwert einzuräumen. Jedoch geht es nicht nur um das Wahrnehmen und Erkennen unserer eigenen Gefühle, sondern auch um die meiner Mitmenschen.

Wenn ich weiß, dass Leon sich heute traurig fühlt, dann kann ich Rücksicht nehmen, ihn trösten und vielleicht sogar ein bisschen aufheitern. Das Ausdrücken bzw. Visualisieren unserer Gefühle ist also für mich als Lehrkraft von Vorteil, aber auch für alle Kinder in der Klasse. Die gegenseitige Rücksichtnahme und Anteilnahme stärkt das gemeinsame Miteinander (#sozialesLernen), sowie auch die eigene Persönlichkeitsentwicklung.


Wie fühlst du dich heute? Visualisierung unserer Emotionen

Das Thema „Unsere Gefühle“ ist in der Grundschule für mich nicht nur ein einmal abzuhandelndes Thema, sondern sollte, ganz besonders in der Schuleingangsphase, wiederholt aufgegriffen werden.

In dem schulinternen Curriculum meiner Schule ist das Thema zum Beispiel das erste Thema im fächerverbindenen Unterricht in Klasse 2. Nach dem Kennenlernen unserer verschiedenen Emotionen, unterstützt durch Geschichten, kleinen Rollenspielen und weiteren Aufgaben, habe ich in unserem täglichen Morgenkreis die Gefühlsrunde eingebaut. Moderiert wird der Morgenkreis in meiner Klasse von 2 Kindern, in welchem Datum, Stundenplan etc. abgehandelt werden, aber eben auch wie es den einzelnen Kindern an dem jeweiligen Morgen geht. Das kann verbalisiert werden, also „bloß“ darüber gesprochen, oder im Laufe des Tages auch visualisiert werden, z.B. mittels eines Gefühlsbarometers. Dieses ist durch erweiterte Ampelfarben gekennzeichnet. Die Kinder stecken eine Wäscheklammer mit ihrem Namen auf den jeweiligen Bereich und können im Laufe des Tages, wenn sich die Gefühle verändern, ihre Klammer auch wieder umstecken. Die Idee finde ich sehr schön, denn sie zeigt an, dass Gefühle nicht statisch sind, sondern sich verändern. Dafür braucht man jedoch auch Platz im Klassenzimmer und das Gefühlsbarometer ist nicht wirklich portabel.

Eine ähnliche Methode ist die Gefühlsscheibe, die ich euch hier vorstellen möchte und welche ihr am Ende des Beitrages als kostenlosen Download aufgelistet findet. Empfehlenswert ist das Ausdrucken der Scheibe auf dickerem Papier oder das Laminieren, da mit der Gefühlsscheibe nicht nur einmalig gearbeitet wird. In meiner Klasse hatten die Kinder diese bereits in Klasse 1 gebastelt und stets bei sich am Platz gehabt. So haben wir morgens die Gefühlsscheibe eingestellt (auch ich hatte eine und habe mitgemacht!) und auf meine Aufforderung hin hochgehaltenWer fühlt sich denn fröhlich heute Morgen? Wer fühlt sich enttäuscht? usw. Das Fragezeichen-Feld ist für die Kinder, die ihre aktuelle Gefühlslage nicht richtig einschätzen können, also wenn das Gefühlsmonster mal nicht so richtig greifbar ist. Denn auch das kommt immer wieder vor, zumal auch nicht alle Gefühle auf der Gefühlscheibe abgedruckt sind! Die Gefühlsscheibe lag anschließend offen sichtbar am Platz der Kinder.

Beim Herumgehen im Laufe des Schulmorgens hatte ich dann auch alle nochmal gesehen oder konnte so nochmal auf einzelne Kinder eingehen. Wenn sich die Gefühlslage geändert hatte, konnte man dies auf der Gefühlsscheibe gut sichtbar machen. Ideal ist es natürlich am Ende des Schultages zu reflektieren, wie es den Kindern dann geht. Konnte sich eine Gefühlslage verbessern oder hat sie sich (womöglich) verschlechtert?

Meine Klasse ist zum Beispiel eine Ganztagsklasse, weshalb dann meine OGS nach der Übergabe diese zweite Reflektion auch oft ausgeführt hat. Denn wie so oft rast die Zeit am Schulvormittag! Vorteilhaft an der Gefühlsscheibe ist, dass sie persönlich für jedes Kind ist und man sie auch in einen anderen Klassenraum mitnehmen kann bzw. nach draußen auf dem Schulhof.

Die Kinder können die einzelnen Gefühlsbereiche auf der Scheibe farblich anmalen, sofern die Farbassoziationen thematisiert werden. Die laminierte Scheibe und Pfeil können mittels Musterklammer befestigt werden. Die Illustrationen der einzelnen Bereiche helfen den ErstleserInnen und unterstützen das geschriebene Wort.

In Klasse 3 und 4 sollten die Kinder ihre Gefühle dann schon gut kennen und benennen können, so dass sich in Gesprächen eine Fortführung des Themas immer wieder anbietet. Wenn ihr noch mehr über das Thema Achtsamkeit lesen möchtet, dann findet ihr hier verlinkt meine Beitragsreihe zum Thema, die auch eine wunderbare Kartei mit Übungen bereithält.

Ich freue mich, wenn ihr die Gefühlsscheibe einsetzen könnt und euch das Thema ebenfalls so am Herzen liegt wie mir! Falls ihr Interesse an Tipps habt und an Ideen aus dem Schulalltag interessiert seid, dann besucht doch meinen Instagram-Kanal (@miss_thiel).

Ich wünsche euch einen franztastischen Schulstart und achtet gut auf euch!

Herzliche Grüße,

eure Vanessa

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