31. Januar 2017
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Liebe ZebrA-Fans, mit diesem Artikel starten wir eine kleine Blog-Serie zum Thema „Deutsch als Zweitsprache in der Grundschule“. Wir (das sind die DaZ – Redakteurinnen Vivien Renz, Elisa Hefter und Heike Stein) möchten Ihnen in acht Artikeln unsere Überlegungen zum Thema „Unterrichten von Kindern mit Migrationshintergrund“ und unsere neu entwickelten ZebrA – Materialien vorstellen. In zahlreichen Gesprächen mit Ihnen als Lehrerinnen und Lehrern, in Hospitationen und aus Internet-Umfragen haben wir die Herausforderungen, Problemfelder und offenen Fragen zu ermitteln versucht, die sich aus dem Unterrichten von DaZ-Kindern ergeben. Sie waren für uns der Ausgangspunkt, neues DaZ – Material zu entwickeln – natürlich passend zu Ihrem ZebrA!

Zebrafanclub DaZ

Im ersten Artikel unserer kleinen Blog-Serie möchte ich, Heike Stein, Ihnen einige dieser Herausforderungen kurz darstellen, auf die wir mit unseren neuen ZebrA DaZ – Heften eine Antwort gesucht – und gefunden – haben. Nicht aussparen möchte ich in meinem Überblick jedoch auch die zwischenmenschlichen, interkulturellen Problemfelder, für deren Lösung ein Bildungsmedienverlag nur indirekt Lösungen anbieten kann, die Sie aber nichtsdestotrotz in Ihrem Unterrichtsalltag begleiten und bewegen.


Das Materialproblem: Wo finde ich geeignetes DaZ – Material? Und: Was bedeutet „geeignet“ überhaupt?

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Viele von Ihnen suchen nach eigener Aussage händeringend nach passendem Unterrichtsmaterial für die neu hinzugekommenen DaZ – Kinder. Es soll vor allem „umsetzungseinfach“, also selbsterklärend und auf selbstständiges Lernen hin ausgerichtet sein. Schließlich sitzen in Ihren Klassen noch 20 oder mehr deutschsprachige Kinder, die den „ganz normalen“ (schon ausreichend anspruchsvollen) Regelunterricht erwarten und nicht zu kurz kommen wollen/sollen. Oder in Ihrer Sprachlernklasse sind 15 und mehr Kinder völlig unterschiedlicher Alters- und Kompetenzstufen versammelt.

Ihrer Auswahl des Materials geht meist die Frage nach der Eignung für den individuellen DaZ – Schüler voraus, den Sie – wie alle Ihre SchülerInnen – dort abholen wollen, wo er mit seinen Sprachkenntnissen steht: „Wie kann ich die vorhanden Deutschkenntnisse eines Flüchtlingskindes richtig einschätzen? Gibt es einen Test oder ein Kompetenzraster, um (deutsche) Lese- und Schreibfertigkeiten abzuprüfen? Und welche Materialien muss ich dann, je nach Ergebnis, kaufen?“
Denn ein Arbeitsheft, das bereits große Mengen an Schriftsprache beinhaltet, hilft dem absoluten Leseanfänger im Deutschen ebensowenig weiter wie ein sprachfreies Malheft dem Kind, das bereits erste Lese- und Schreibfertigkeiten erworben hat.

 

Häufig wurde auch die Frage nach geeigneten (Bild-)Wörterbüchern für DaZ – Lerner und Bilderbüchern oder Bildkarten für die Wortschatzarbeit an uns herangetragen. Der Aufbau eines kindgerechten, alltagstauglichen Wortschatzes wird von Ihnen zu Recht als Schlüssel zu gelingender Kommunikation innerhalb und außerhalb des Unterrichts angesehen.

Doch was, wenn die Illustrationen in den gewählten Werken uneindeutig, ständig wechselnd oder nicht kindgemäß sind? Wie soll das geflüchtete Kind verstehen, dass der rot gepunktete Gummiball, der Tennisball, der gestreifte Wasserball und der Fußball alle zusammen das eine Wort „Ball“ symbolisieren sollen?


Es erreichten uns auch ganz pragmatische Wünsche nach Arbeitsblättern oder Listen der wichtigsten Redemittel und „Chunks“, die die DaZ – Kinder quasi auswendiglernen können. Sie sollen die SchülerInnen schnellstmöglich in ihrem neuen Schulumfeld handlungsfähig machen, zum Beispiel indem sie selbstständig um Hilfe bitten, fehlende Gegenstände ausborgen, Freude und Unwohlsein äußern oder einfach nur nach dem Weg zur Toilette fragen können.

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Ein besonderes Problem stellt unserer Erfahrung nach für Sie als Lehrende die Feststellung dar, dass einige Ihrer (schon älteren) SchülerInnen mit Migrationshintergrund noch nicht alphabetisiert sind, klassische Fibelmaterialien aber hierzu nicht oder nur mit viel Erklärungsmühen eingesetzt werden können. Wie sollen die Kinder in der Kürze der Zeit die häufig Unmengen an deutschem Wortschatz lernen, die ein Standard-Arbeitsheft aus Klasse 1 oder 2 einfach so als bekannt voraussetzt, zum Beispiel als Abhörwörter oder Schreibwörter für die Schreibtabellenarbeit?

Was, wenn das Kind zwar bereits das Abhören und Verschriften eines Wortes gelernt hat, ihm jedoch ganz basal das deutsche Wort zu dem gezeigten Abhörbild im Wortschatz fehlt (zum Beispiel zu dem „klassischen“ Adler beim A/a im Standard-Fibelarbeitsheft, zum Indianer und Osterhasen, zum Zirkus und zur Säge, zum Elch und zum Jojo …)?
Wie kann ein Material überhaupt inhaltliche Einfachheit garantieren bei einem so komplexen Thema wie dem Schriftspracherwerb? Eine Frage, die vor allem mich als zuständige Redakteurin unseres neuen ZebrA-Alphabetisierungsheftes beschäftigt hat – in unserem dritten Blog-Artikel werde ich Ihnen unsere Antwort vorstellen …


Die Frage nach den Unterrichtsmethoden: Was tun (und was nicht?!) mit den DaZ – Kindern?

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Das Unterrichten von DaZ – Kindern ohne eigene spezielle DaZ-Ausbildung stellt auch Sie als gestandene Lehrerinnen und Lehrer vor neue methodische Herausforderungen, z.B.: „Wie trainiere ich mit meinen DaZ – Kindern das Hörverstehen? Wie vermittle ich die Wortbetonung im Deutschen? Wie baue ich Sprechhemmungen ab?“
Zugleich wollen Sie ihren methodisch „sauberen“ DaZ – Unterricht nicht rein verwissenschaftlicht und verkopft gestalten, sondern vor allem adressatengerecht: spielerisch, motivierend, Lernfreude vermittelnd. Schließlich sollen die Kinder in der neuen Schulsituation nicht nur Unterweisung, sondern auch Geborgenheit, Stabilität und hoffentlich auch wieder Freude und Erfolge erfahren.

Standards des Regelunterrichts werden nun von Ihnen in Frage gestellt: „Ist Schreiben mit der Schreibtabelle überhaupt sinnvoll mit DaZ – Kindern?“ „Wie fühlt sich ein Kind ganz ohne Deutschkenntnisse morgens in unserem Erzählkreis?“ „Wie bewerte und kommuniziere ich die Lernfortschritte eines DaZ – Schülers?“ „Welche Rituale helfen bei der Einfindung in die Gemeinschaft und bereiten dabei allen Kindern Freude?“
Zugleich ergeben sich rein aus Kapazitätsgründen auch Situationen,

in denen die neu hinzugekommene Kindergruppe der Geflüchteten einfach einmal ruhig und eigenständig arbeiten können muss, damit Unterricht für die RegelschülerInnen überhaupt noch möglich ist. Doch wie kann Ihnen das gelingen, wenn gefühlt wöchentlich ein neuer kleiner Mensch verschüchtert in Ihrer Klassenzimmertür steht, der ab diesem Tag zur Gemeinschaft gehören und mit ihr lernen soll – aber zunächst kein Wort Deutsch versteht oder spricht? Und eventuell noch nie eine Schule von innen gesehen hat?


Soziale und interkulturelle Probleme:
Nebeneinander oder miteinander? Wie gelingt eigentlich Integration?

Der Bereich der intensiven Begegnung nicht nur mit Kindern, sondern auch mit Eltern aus anderen kulturellen Lebenskreisen birgt unbekannte oder für Sie bislang nur marginal relevante Problemfelder. Diese können jedoch für beide Seiten große Hindernisse für ein gelingendes Unterrichtsgeschehen darstellen.
Immer wieder erfahren Sie als LehrerInnen, dass Ihre Zugewandtheit und Nähe zu den Kindern, Ihre offene „westliche“ Körpersprache und Kleidung zu Problemen in der alltäglichen Kommunikation mit DaZ-SchülerInnen und ihren Eltern oder gar zu Ablehnung führen.

„Wie vermittle ich den Geflüchteten die Werte einer gleichberechtigten demokratischen Kultur?“, fragen sich Lehrende, die ihren Unterricht und ihre Lebensweise diesen Grundwerten verpflichtet sehen. Zugleich möchten viele von Ihnen auch die kulturellen Vorerfahrungen und Prägungen der geflüchteten Kinder in den Unterricht integrieren – als Wertschätzung und nicht zuletzt als interkulturellen Gewinn für alle SchülerInnen der Klasse. Doch wie viel Muttersprache gehört zum Beispiel in den deutschen Unterrichtsalltag und ist dem Deutschlernen (noch) förderlich?
Bei allen Beispielen gelingenden Zusammenwachsens durch die sensiblen Bemühungen beider Seiten berichteten Sie uns jedoch auch von solchen Problemen:

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„Die Eltern können meinem DaZ – Kind in schulischen Belangen nicht weiterhelfen, weil sie selber noch nie in einer Schule waren. So bleibt häufig auch die Lernmotivation aus oder vereinbarte Regeln werden nicht eingehalten.“ „Unsere Flüchtlingskinder aus unterschiedlichen Nationen tragen untereinander immer wieder verbal und körperlich Konflikte aus – wie kann ich hier schlichten?“


Letzteres berührt einen Bereich, in dem Sie trotz all Ihrer vorhandenen Lebens- und Erziehungserfahrung für gewöhnlich nicht ausgebildet sind: den Bereich der seelischen Erkrankungen und Traumata. „Wie arbeite ich stabilisierend mit von Krieg und Flucht traumatisierten Kindern (und ihren Eltern!)?“ „ Wie schütze ich mich und meine anderen SchülerInnen vor den teilweise schockierenden Erfahrungen, die verbal oder in Bildern an uns herangetragen werden?“ Diese Fragen bewegen Sie in Ihrer Fürsorgeverantwortung für die Kinder und letztlich auch für sich selbst.

Liebe ZebrA-Fans, wenn Sie aktuell selbst in der Situation sind, ein oder mehrere DaZ – Kinder in Ihrer Regelklasse zu unterrichten oder eine Sprachlernklasse zu betreuen, haben Sie sich sicher in einem oder mehreren der oben dargestellten Punkte wiederfinden können. Gerne lesen wir Ihre Kommentare und Erfahrungen zu Ihrer persönlichen Situation sowie Ihre Wünsche in Bezug auf Materialien oder andere Unterstützung!

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In den folgenden Blog-Artikeln unserer Reihe wollen wir Ihnen nun unser neues DaZ – Konzept für ZebrA vorstellen, das inhaltlich und methodisch auf den gesammelten Erkenntnissen und Überlegungen in diesem Artikel fußt. Den Anfang macht im nächsten Beitrag unser neu entwickelter Einstufungstest, der Ihnen helfen soll, die vorhandenen Lese- und Schreibfertigkeiten eines DaZ – Kindes einzuschätzen und so das geeignete Arbeitsheft auszuwählen.

Hier finden Sie alle bereits erschienenen Artikel unserer DaZ-Serie:
Mein Willkommensheft – der erfolgreiche Start
Der DaZ-Einstufungstest
Das neue Zebra DaZ-Arbeitsheft A – schaun Sie mal rein!
Wortschatz üben mit dem Zebra DaZ-Arbeitsheft B

Herzliche Grüße
Heike Stein

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