19. Mai 2023
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„Sag mal – wie sprichst du eigentlich mit dir selbst?“

In meinen Resilienz-Workshops gebe ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gerne die Aufgabe, einen Beziehungsgarten zu skizzieren: „Welche Menschen und Personengruppen haben einen direkten Einfluss auf dein Wohlbefinden?“

Die entstehenden Gärten haben oft jede Menge Beete, die es zu pflegen gilt: Die Beziehungen zu Familie, Freunde, Kolleginnen und Kollegen, Schülerinnen und Schüler, Eltern,  …

Diesen Beitrag könnt ihr euch anhören. Also Käffchen holen, entspannt zurücklehnen und lauschen…

Blogcast zum Thema: Tipps für freundlichere Selbstgespräche von Martina Schmidt

Die meisten Lehrerinnen und Lehrer haben einen ziemlich guten Überblick darüber, mit wem sie alles in Kontakt sind. Ein Beet fehlt aber in fast jedem Beziehungsgarten: Das Beet mit dem Namen „Ich“.

Und immer wieder sind die Workshop-Teilnehmenden total verblüfft, wenn ich sie darauf anspreche: „Stimmt!“ – „Ach ja …“ – „Wie konnte ich mich selbst vergessen?!“

Ja, wie konnte das passieren? Ich kann das gut verstehen, denn mir war lange Zeit auch gar nicht bewusst, wie wichtig die Beziehung ist, die ich zu mir selbst habe.

Bis ich durch meinen Burnout gelernt habe, bewusster darauf zu achten:

  • Wie denke ich über mich?
  • Wie spreche ich mit mir?

Gar nicht schön, was mir dabei aufgefallen ist. Denn ich war leider ziemlich gut darin, mir selbst gewaltig Stress zumachen: Mit meinen hohen Erwartungen an mich selbst und dem Wunsch, es allen irgendwie recht zu machen.

Typische Gedanken bei mir waren:

  • „Streng dich an!“
  • „Reiß dich zusammen, die anderen schaffen das doch auch.“

Wenn mal etwas nicht perfekt gelaufen war, kreisten meine Gedanken oft noch stundenlang (manchmal sogar tagelang) wieder und wieder um diese Situation:

  • „Warum warst du da nicht schlagfertiger?“

Und vielleicht geht’s dir genauso und du fühlst dich gerade sehr ertappt. Bitte starte jetzt aber nicht direkt wieder ein neues kritisches Gespräch mit dir selbst, nach dem Motto: „Ich bin einfach zu doof, dass ich so mit mir rede!“


Selbstkritik – schützend oder lähmend?

Selbstkritik ist ja erstmal nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Selbstkritik kann eine ganz wichtige Funktion für uns haben. Denn oft geht es einfach darum, dass wir uns selbst schützen wollen vor den Angriffen anderer. Wir machen uns z.B. Sorgen, dass wir beim Elternabend kritisiert werden könnten und treiben uns deshalb innerlich an, eine besonders sorgfältige Vorbereitung zu machen.

Wenn ein Gespräch nicht so gut gelaufen ist, gehen wir es in Gedanken noch mal ganz kritisch durch und gehen mit uns selbst ins Gericht. Und das vor allem deshalb, weil wir so etwas nicht noch einmal erleben möchten. Reiner Selbstschutz, und in Maßen bestimmt sinnvoll und gut. Selbstkritische Gespräche können uns aber auch lähmen und uns ganz viel wichtige Energie rauben.


Freundlichere Selbstgespräche sind wie angenehme Hintergrundmusik

Denn unsere Gedanken sind so etwas wie die Hintergrundmusik unseres Alltags. Ganz besonders die Gedanken, die ich über mich selbst denke! Sie beeinflussen,

  • wie ich mich fühle
  • welche Möglichkeiten und Grenzen ich sehe
  • ob ich mich gut um mich selbst kümmere
  • wieviel Energie ich habe und
  • ob ich auch mal „Nein“ sagen kann.

Wünschst du dir eine angenehmere Hintergrundmusik für deinen Alltag?
Dann empfehle ich dir freundlichere Selbstgespräche!
Hier sind meine 3 Tipps für dich:


Tippkarte 1: Rede mit dir so, wie du mit deiner besten Freundin, deinem besten Freund reden würdest.

  • „Das war ja klar, dass ich das nicht hinbekomme.“
  • „Ich bin viel zu schlecht organisiert.“
  • „Ich habe einfach kein Durchhaltevermögen.“

Wenn dir solche Sätze im Kopf herumgehen, dann frag dich mal: Wie würdest du mit einer guten Freundin (einem guten Freund) sprechen, die (der) dir genau dieses Problem erzählt? Wärst du da genauso hart, kritisch und anspruchsvoll?

Vermutlich nicht. Ich nehme an, du wärst verständnisvoller und mitfühlender. Du würdest die Person vielleicht an ihre Stärken erinnern. Oder du würdest ihr die Erlaubnis geben, sich auszuruhen. Du würdest der Person helfen, die Sache aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Stimmt’s?

Zebras Tippkarte 1 für freundlichere Selbstgespräche

Wenn du merkst, dass deine Selbstgespräche gar nicht nett sind, dann frag dich: So, wie ich gerade mit mir rede: Möchte ich mit mir selbst befreundet sein? Du kannst sicher sein: Wenn du also mit anderen Menschen so freundlich sprechen kannst, kannst du das auch mit dir selbst?


Tippkarte 2: Ein kleines Wort mit 4 Buchstaben: noch

Sagst oder denkst du öfter so etwas wie:

  • „Ich bin einfach nicht gut in Videokonferenzen.“
  • „Ich kann einfach nicht vor einer großen Elterngruppe sprechen.“
  • „Ich weiß nicht, wie ich mehr Zeit für meine Hobbies finden soll.“

Hier nochmal dieselben Sätze mit einer kleinen Veränderung:

  • „Ich bin einfach noch nicht gut in Videokonferenzen.“
  • „Ich kann noch nicht vor einer großen Elterngruppe sprechen.“
  • „Ich weiß noch nicht, wie ich mehr Zeit für meine Hobbies finden soll.“

Merkst du was? Das Wörtchen „noch“ öffnet eine Tür: Denn so, wie es jetzt ist, muss es ja nicht bleiben! Du kannst dich verändern – wenn du möchtest. Durch das „noch“ ändert sich der Fokus deiner Gedanken: Dein Gehirn fängt an, nach Lösungen zu suchen.
Ok. Im Moment spreche ich noch nicht gerne vor großen Gruppen. Wie kann ich das lernen? Wer könnte mir Tipps geben? …

Dieses „Growth Mindset“ (Veränderung, Weiterentwicklung ist möglich) müsste dir ganz vertraut sein, denn mit deinen Schülerinnen und Schülern gehst du bestimmt andauernd so um! Oder sagst du denen:

  • „Tja, du kannst halt das Einmaleins nicht.“
  • „Englisch liegt dir einfach nicht.“

Wahrscheinlich nicht, oder? Auch da wirst du vermutlich schauen, auf welchem Weg da Weiterentwicklung möglich ist. Ein kleines Wort mit großer Wirkung also, dieses „noch“. Und falls du es bisher noch nicht für dich genutzt hast, bin ich ganz zuversichtlich, dass du das in Zukunft hinbekommst!


Tippkarte 3: Fremde Stimmen im Kopf

Das ist ein Tipp, den meine Coachees lieben – und über den wir uns schon oft kaputtgelacht haben:  Hör der Stimme in deinem Kopf zu und ändere doch einfach mal Ihren Klang. Vielleicht klingt deine „normale“ Gedankenstimme müde, streng oder aufgeregt.

Tausch sie doch einfach mal gegen eine andere Stimme, die du witzig, aufmunternd oder entspannend findest. Wie wär’s zum Beispiel, wenn du deine stressigen Gedanken mal ganz langsam und gedehnt durch deinen Kopf ziehen lässt mit der Stimme von Dorie, die Walisch spricht (aus „Findet Nemo“)? Oder wenn du dir deine selbstkritischen Dialoge mit einer fiepsig hohen Stimme erzählst, die wie eine Mickey Mouse-Stimme klingt?

Diese fremden Stimmen in deinem Kopf haben (mindestens) zwei großartige Effekte:

  • wahrscheinlich musst du lachen und holst dich so selbst aus deinen Gedankenschleifen heraus und
  • du merkst, dass es einfach nur Gedanken sind, die du so verändern kannst, wie du es möchtest!

Wenn du nach dem Lesen dieses Artikels anfängst, auf deine Gedanken und Selbstgespräche zu achten, kann dir Folgendes passieren: Du merkst, dass du ganz schön viel Negatives denkst …

Das ist kein Grund, dir Sorgen zu machen, sondern (leider) völlig normal. Von den 40.000-80.000 Gedanken, die der durchschnittliche Mensch täglich denkt,  sind 27% negativ und nur 3% positiv. (Die restlichen 70% sind neutrale Gedanken, so etwas wie „Ich muss nach der Schule noch einkaufen.“)


Vielleicht hast du ja Lust bekommen, dir etwas mehr als 3% Prozent positive, freundliche, zuversichtliche Gedanken durch deinen Kopf gehen zu lassen. Denn du bist in deinem Beziehungsgarten der Mensch, mit dem du die meiste Zeit verbringst! Freundlichere Selbstgespräche können der Dünger sein, der dein „Ich-Beet“ zum Blühen bringt.

Zebra Franz unterstützt dich dabei: Mit drei Tippkarten im Download-Bereich.

Viel Freude damit!

Martina Schmidt

 


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