7. Februar 2019
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Achtsamkeit braucht Kontinuität

Im letzten Beitrag habe ich euch drei weitere Übungen der Zebra Achtsamkeitskartei vorgestellt. Vielleicht habt ihr die eine oder andere Übung mit eurer Lerngruppe bereits ausprobiert? Ansonsten bietet das neue Jahr ja einen idealen Start dafür!


Achtsamkeitsübungen helfen uns, unseren Körper, unsere Sinne, unsere Bedürfnisse und Gefühle zu spüren. Bei regelmäßiger Anwendung sind die Übungen förderlich, um Stress abzubauen und unseren Geist ruhiger werden zu lassen. Jedoch bedarf es dafür Kontinuität und Übung. Dies gilt sowohl für zu Hause als auch für die Achtsamkeitsrituale mit den Kindern in der Schule. Denn nur wenn wir etwas Neues in unserem Alltag ritualisieren, fällt es uns zunehmend leichter, dies auszuführen und unsere Fortschritte darin zu bemerken.

Wir müssen dafür also Zeit schaffen, auch wenn dies im eng getakteten Schullalltag nicht immer einfach ist. Günstige Phasen für die Achtsamkeitsübungen sind z.B. der Wochenbeginn bzw. -abschluss, der Einstieg oder Ausklang einer Lernzeit, vor einer Büchereistunde oder als Morgenritual.


Macht Platz für Dankbarkeit!

Im ersten Beitrag dieser Reihe habe ich von der Positiven Bildung geschrieben und wie diese sich zum Ziel setzt, Individuen in ihrer Persönlichkeit zu stärken und die Bereiche eines jeden zu fördern, die bereits gut funktionieren. Dazu ist es wichtig regelmäßig positive Emotionen zu spüren bzw. zu erleben, z. B. Dankbarkeit, Optimismus, Hoffnung, Zuneigung etc. Die Sinne sollen also für das Positive geschärft werden und sich weniger der Bekämpfung unangenehmer Gefühle und Gedanken widmen. Das heißt nicht, dass ich Wut, Trauer und dergleichen verdrängen soll. Auch diese Gefühle haben ihren Platz und sollen achtsam wahrgenommen werden.

Wenn ich sie jedoch nur betrachte und wahrnehme, entwickelt sich mit Übung Distanz zu ihnen. Erst der gesunde Abstand ermöglicht es mir, aus meiner vielleicht schon destruktiven Gedankenwelt auszubrechen und meinen Fokus zu verschieben, nämlich auf das, was gut in meinem Leben ist! Langfristig kann diese positive Geisteshaltung nämlich vor Burnout und anderen Erkrankungen schützen, und ich denke, es ist gerade heute wichtig, dass Kindern beizubringen.


Dankbarkeit im Schulalltag üben

Wenn ihr am Ende einer Schulwoche bei euch einen Klassenrat habt, dann variiert die Positivrunde doch einmal mit den Worten Ich bin diese Woche dankbar für …! Oder plant die dankbaren 10 Minuten für den Wochenabschluss ein.

Achtsamkeitskartei Franz Zebra liegt auf der Wiese

Die Kinder reflektieren über die Ereignisse der Woche, mündlich in einer Gesprächsrunde oder schriftlich ins Achtsamkeitstagebuch. Solch einen Eintrag können die Kinder auch täglich im Rahmen des offenen Anfangs bzw. der Wochenplanarbeit vornehmen. Einen Satz (oder gerne mehr) zu schreiben, beansprucht nicht viel Zeit, hat jedoch mit kontinuierlicher Praxis einen enormen Effekt auf das Wohlempfinden. Und das gilt es zu stärken!

Die nachfolgenden Achtsamkeitsübungen unterstützen dabei.


Achtsamkeitsübung 7: Geh-Meditation

Diese Übung widmet sich nochmal ganz der Konzentration und schließt sich äußerst gut an Füße spüren (Übung 4 der Zebra Achtsamkeitskartei) an. Hier kann wieder ein Timer (ca. 5 Minuten) zur zeitlichen Visualisierung hinzugenommen werden. Die Kinder stehen barfuß in einer aufrechten Position. Das heißt, gerader Rücken, die Füße sind ca. hüftbreit aufgestellt, die Arme hängen entspannt an der Seite, der Kopf ist aufgerichtet.

Zunächst spüren die Kinder wie in Übung 4 nach:

  • Wie fühlen sich meine Füße heute an?
  • Wie ist der Boden unter mir beschaffen? (kalt, weich, hart …)

Nun verlagern die Kinder leicht ihr Gewicht, ohne jedoch den Kontakt zum Boden zu verlieren. Sie können seitlich leicht pendeln, sich ein Stück nach vorne oder hinten lehnen. Dann zentrieren sich die Kinder allmählich wieder und stehen stabil.

Jetzt beginnen sie langsam vorwärts zu gehen. Ganz achtsam setzen sie einen Fuß nach dem anderen auf, setzen die Ferse behutsam auf und rollen den Fuß bis zum Fußballen bzw. bis zu den Zehen ab. Dabei ist jegliche Konzentration auf die Vorwärtsbewegung der Füße gerichtet. Ganz aufmerksam spüren die Kinder nach:

  • Wie fühlen sich meine Fersen/meine Zehen an?
  • Wie fühlt sich mein ganzer Körper bei der Übung an?
  • Was passiert bzw. was spüre ich in meinen Beinen, in meiner Hüfte?
  • Spüre ich vielleicht sogar etwas in meinen Schultern, in meinem Nacken?

Wie bei allen Konzentrationsübungen kann es sein, dass wir unseren Fokus verlieren und gedanklich abschweifen. Dies ist normal. Die Kinder schulen ihre Konzentration jedoch, wenn Sie den Fokus wieder zurücklenken, in diesem Fall zurück aufs achtsame Gehen (lernen). Mit kontinuierlicher Anwendung wird die Aufmerksamkeitsspanne allmählich länger. Was für eine lohnenswerte Übung!

Sobald die Kinder ihren achtsamen Spaziergang durch das Signal des Timers beendet haben, stehen sie wieder in der Ausgangsposition und flüstern leise für sich ein Dankeschön an ihre Füße.

Auch hier bietet sich natürlich wieder eine Reflexion an, ggf. mit einem Eintrag ins Achtsamkeitstagebuch.

Tipp: Wenn ihr in der Turnhalle seid, können die Kinder auch eine Matte benutzen und diese bis zum Ende entlang gehen und dann zurück. Oder ihr lasst die Kinder eine Markierung des Hallenbodens dafür nutzen. Im Klassenzimmer bietet es sich vielleicht an, von einer Wand zur anderen zu gehen. Hier muss man nur aufpassen, dass keine Stolperfallen im Weg sind!


Achtsamkeitsübung 8: Eine Portion Glück

Da Dankbarkeit und positives Denken so wichtige Bestandteile von Achtsamkeit sind, habe ich „Eine Position Glück“ für die Zebra Achtsamkeitskartei ausgewählt. Zum einen ist die Übung entspannend und bewirkt Ruhe bei den Kindern, zum anderen ist sie eine gute Konzentrationsübung, die das positive Denken fördert und vielleicht sogar zu einem glücklicheren Start in den Schultag beisteuert.

Bei dieser Übung habe ich auf den Einsatz eines Timers verzichtet. Jeder von uns braucht bei dieser Übung vielleicht doch unterschiedlich lang und ich möchte nicht, dass ein Klingeln die Kinder aus der Visualisierung reißt. Wer beschließt, dass er/sie fertig ist, darf die Augen öffnen und ganz leise am Platz das Glückskleeblatt ausfüllen (siehe Kopiervorlage zum Download unter diesem Beitrag). Idealerweise liegen dafür Mäppchen und Arbeitsblatt dann schon bereit.

Im Klassenzimmer sitzen die Kinder also an ihren Tischen und legen beispielsweise den Kopf in die verschränkten Armen. Sie schließen nun ihre Augen und spüren ihren Körper. Sie scannen diesen quasi von Kopf bis Fuß, nehmen wahr was ist, ohne einem Gefühl/einem Gedanken nachzugehen oder diese zu bewerten. Leitet eure Gruppe durch diese kleine Visualisierung. Wenn sie bereits Erfahrungen mit Traum- bzw. Fantasiereisen gemacht hat, dann wird es den Kindern mit Sicherheit etwas leichter fallen, sich darauf einzulassen. Ihr könnt natürlich sehr gerne diese Visualisierung mit eigenen Ergänzungen ausschmücken und ausbauen. Vielleicht ähnlich dem nachfolgendem Beispiel. Beginnt mit ruhiger, langsamer Stimme bzw. Sprechweise und betont die Sätze natürlich:

Erinnere dich an einen Moment, in dem es dir so richtig gut ging, in welchem du glücklich warst. Jeder von uns hat schon mal so einen Moment erlebt. Was uns glücklich macht, kann manchmal sehr unterschiedlich sein. Vielleicht denkst du gerade an das tolle Spiel mit deinen Freunden von neulich, an die letzte Pause auf der Schaukel, das leckere Eis aus der Eisdiele von nebenan oder an deinen letzten Geburtstag. Wenn dir heute nicht so richtig etwas einfallen will, dann stell’ dir einfach eine Situation vor, die dich jetzt glücklich machen würde.

Wie fühlt sich dein Körper an? Kannst du das Glück spüren?

Nun stell dir vor, dass heute noch ganz viele solcher wunderbaren Dinge passieren können, die dich glücklich machen. Denn unser Tag hat ja schließlich eben erst begonnen. Was könnte das heute für dich sein? (…)

Die restliche Anleitung findet ihr auf Karteikarte 8, die am Ende des Beitrages zum kostenlosen Download bereitsteht. Im Anschluss daran ist wie immer wichtig, darüber zu reflektieren, wie sich die Kinder fühlen bzw. was ihnen vielleicht auch während der Übung aufgefallen ist. Da Wünsche natürlich etwas sehr persönliches sind, ist es nicht unbedingt ratsam, sich darüber im Anschluss auszutauschen, jedoch aber natürlich über das Gefühl, das dabei entstand. Wer mag, kann darüber in sein Achtsamkeitstagebuch schreiben und die Kopiervorlage dazu ausfüllen und anschließend einkleben.

Tipp: Die Übung kann natürlich im Sommer auch draußen oder in der Sporthalle auf Matten ausgeführt werden. Eine gute Organisation und ggf. ein differenzierter Stundenausklang ist dabei vorab natürlich zu bedenken.

Fotografie: Vanessa Thiel, Schülerarbeit eines Kindes des ersten Schuljahres


Achtsamkeitsübung 9: Sonnenaufgang

Bei dieser sehr entspannenden Achtsamkeitsübung sitzen oder liegen die Kinder. Letzteres bietet sich gut als Ausklang des Sportunterrichts an. Aber auch im Klassenzimmer ist diese Visualisierungsübung gut einzusetzen. Vielleicht nach der Pause, um wieder „anzukommen“?

Auch hier verzichte ich auf den Einsatz eines Timers.

Sobald die Kinder eine angenehme Sitz- oder Liegeposition eingenommen haben, könnt ihr die Übung anleiten. Dazu schließen die Kinder zunächst die Augen und spüren nach:

  • Wie fühlt sich mein Körper gerade an?
  • Wie fühlen sich Rücken, Bauch, Beine usw. an?
  • Wie ist meine Atmung? Tief oder flach, langsam oder hastig?

Sprecht langsam und mit Pausen und gebt den Kindern Zeit, ihren Körper achtsam wahrzunehmen.

Startet dann diese kurze Meditation bzw. Visualisierung, die von euch wie gehabt variiert und ausgebaut werden kann:

Stell dir vor, du sitzt draußen auf einem Hügel im weichen Gras. Die Luft ist ganz klar und der Himmel ist wolkenlos. Die Sonne geht gerade am Horizont auf. (…)

Auf Karteikarte 9 findet ihr die komplette Übung. Vergesst im Anschluss das Reflektieren nicht und versucht die Fragen mündlich oder im Achtsamkeitstagebuch zu beantworten:

  • Wie hat sich die Übung angefühlt?
  • Fiel sie mir heute vielleicht leichter/schwerer als letztes Mal?

Tipp:

Für Meditationsphasen wie diese kann auch gut eine Transparenzkarte im Stundenplan visualisiert werden. Vielleicht malen die Kinder einfach passend zu dieser Übung einen Sonnenaufgang auf eine DIN-A5- Karte? Die Bildkarten werden dann eingesammelt und bei jeder Meditationseinheit kann ein anderes Sonnenaufgangsbild der Klasse aufgehängt werden. Der Einstieg in die Meditation kann so erfolgen und die Karte kann natürlich auch für alle weiteren Meditationen genutzt werden, auch wenn deren Visualisierung nicht der Sonnenaufgang ist, sondern vielleicht einen anderen Fokus besitzt. Jedenfalls fühlen die Kinder sich als Mitgestalter der Einheiten und haben dadurch mehr Bezug zur Thematik.

Achtsamkeitskartei Zebra Franz liegt unter einem Baum und meditiert


Über Feedback würde ich mich freuen, ebenso wenn die eine oder andere Achtsamkeitsübung Einzug in euren Schulalltag gefunden hat. Im nächsten und letzten Beitrag der Reihe gibt es eine Anleitung zur Meditation. Bleibt achtsam, seid dankbar – und klickt wieder rein! ;-)

 

Herzlichst eure Vanessa Thiel


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